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Ein durchsichtiger Weißkittel

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Hajo ist keine Lichtgestalt und eignet sich deshalb auch nicht für Arztromane oder -fernsehserien. Sein Entschluss, »Weißkittel« zu werden, ist 1953 rein politischer Natur. Zwar interessiert er sich stärker für Geschichte, Philosophie und Politik, aber er weiß auch, dass auf diesen Gebieten ausschließlich die Ansichten der diktatorischen Staatspartei SED gelten genauso wie in allen staatlichen Betrieben und Institutionen. So gefällt ihm am besten die Vorstellung, gegebenenfalls als Arzt auf einem abgelegenen Dorf seine persönliche Freiheit ausreichend bewahren zu können. Von dem gewählten Beruf hat er keine Ahnung, wächst aber schnell hinein, kann sich voll entfalten und findet in ihm Freude und Erfüllung. Beim Aufbau der »Künstlichen Nieren« in Deutschland leistet auch er noch Pionierarbeit. In wissenschaftlicher Hinsicht ist es ihm vergönnt, einige wichtige Beiträge zum Fortschritt der Medizin zu liefern. Vor die Alternative gestellt: Entweder Eintritt in die SED oder Rauswurf aus der Akademie und Ende seiner Hochschulkarriere, entscheidet er sich für das letztere. Als aufrechter Demokrat ist er bereit, in preußischer Pflichterfüllung auch persönliche Opfer zu bringen! 4 Jahre nach der Ehescheidung dürfen die zwei ersten seiner vier Kinder zum Vater zurückkehren, die beiden kleineren exportiert die DDR in die für den Vater unerreichbare BRD. Erst nach der Entlassung aus dreijähriger Haft kann er endlich wieder mit seinen vier Kindern zusammen leben. So vereint sich sein berufliches Glück endlich auch mit seinem persönlichen, familiären und auch philosophischen Glück zu seinem Eudaimonia, obgleich er oft auf sehr steinigen Wegen durchs Leben wandert und immer begleitet wird vom »Schatten des Ajax«.